Menschenrechtlich gesehen gibt es ein “Bleiberecht”, aus dem Schutz des Privat- und Familienlebens abgeleitet.
Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die in Österreich im Verfassungsrang steht, verbietet will-
kürliche und unverhältnismäßige Eingriffe in Privat- und Familienleben. Staaten sind darüber hinaus verpflichtet, das Privat- und Familienleben aktiv zu schützen (sog. Gewährleistungs-/ Schutzpflichten). Diese Verpflichtungen müssen in Gesetzen auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Außerdem muss die Berücksichtigung dieser Verpflichtungen durch die Behörden im Rahmen der Vollziehung sichergestellt werden. Geschützt werden nicht nur familiäre Bindungen, sondern auch die “soziale Verwurzelung” eines Menschen.
Aufgrund dieser menschenrechtlichen Verpflichtungen ist eine Ausweisung dann nicht mehr zulässig, wenn diese die familiären Bindungen unverhältnismäßig beeinträchtigen würde, oder der/die Betroffene bereits stark in Österreich verwurzelt ist, sofern nicht ein höher stehendes öffentliches Interesse für die Abschiebung spricht.
Einfache Antworten dazu oder eine bestimmte Aufenthaltsdauer, ab der eine Abschiebung jedenfalls nicht mehr zu-
lässig ist, gibt es nicht. Diese Entscheidung ist in jedem Einzelfall, unter Berücksichtigung aller Umstände dieses Falles, zu treffen. Welche Umstände die Behörden bei Entscheidungen über die Aufenthaltsbeendigung zu berück-
sichtigen haben, ist aber bereits seit langem und sehr umfassend aus Entscheidungen des Europäischen Gerichts-
hofs für Menschenrechte abzuleiten. Maßgebliche Umstände sind ua die Dauer des Aufenthaltes in Österreich, der Integrationsgrad (Sprache/Arbeit/familiäre Bindungen usw) und eine strafgerichtliche Unbescholtenheit.
Mag. Andreas Lepschi verfügt über einen ausgezeichneten Überblick über die vielfältige Rechtspraxis österreichischer Behörden und der vielfältigen Judikatur der Höchstgerichte und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum Bleiberecht.