Presse 29.05.2010: Österreichs skurrilster Prozess.
Schon 29 Verhandlungstage lang stehen 13 Tierschützer wegen des „Mafiaparagrafen“ vor Gericht. Die (Straf-)Sache ufert aus und wird immer skurriler.
Das soll eine Verhandlung sein? Polizeischüler, die busweise ins Landesgericht Wiener Neustadt gefahren werden, um beim Prozess gegen 13 Tierschützer zuschauen zu können (und, so sagen böse Zungen, nicht allein den Sympathisanten der Angeklagten die Sitz-
plätze zu überlassen), bekommen definitiv einen falschen Eindruck. So sieht eine Verhand-
lung normalerweise nicht aus. So sieht eine Justizgroteske aus: skurrile Dialoge, eine augenscheinlich tiefe Kluft zwischen Richterin und Angeklagten. 29 Gerichtstage sind verstrichen, ein Prozessende ist nicht absehbar. Eine gezielte Auseinandersetzung mit dem ohnedies schwer fassbaren Paragrafen erschließt sich Beobachtern nur mit viel Fantasie. Stimmungsmäßig und nach Meinung vieler Beobachter sind die Weichen in Richtung Verurteilung gestellt.Kaum eine Frage der Verteidiger, kaum eine Frage der Angeklagten darf ohne Intervention durch „das Gericht“ gestellt werden. Der Zeuge Peter Graf, Geschäftsführer der Textilkette Kleider Bauer (sie war ab 2006 Ziel einer Anti-Pelz-Kampagne), wird von der Richterin gegen „nicht relevante“ Fragen abgeschirmt: „Herr Zeuge, es wird die Relevanz der Fragen geprüft, wenn Sie bitte abwarten und dann erst antworten.“ Der Zehntangeklagte ruft da-
zwischen. Und wird wegen ungebührlichen Benehmens „abgemahnt“ (im Fußballjargon wäre das die Gelbe Karte für die Nummer zehn). Indessen kommt es beispielsweise zu diesem Dialog: Der Zweitangeklagte, dem ein Fragerecht zusteht, will wissen, ob Zeuge Graf die Budgetdaten des Konkurrenten Peek&Cloppenburg (P&C) beobachtet habe. Graf: „Ich kenne die Zahlen nicht.“ Ob dem Zeugen bekannt sei, dass diese Zahlen im Firmen-
buch einsehbar seien, will der Angeklagte nun wissen. Der Zeuge bejaht. Nun fragt der An-
geklagte im Stile eines geübten Verteidigers: „Hätten Sie also die Zahlen kennen können?“ Vom Zeugen kommt nun nicht das unausweichliche „Ja“, sondern: „Was hat das für eine Relevanz?“ Angeklagter: „Wollen Sie die Frage mit einer Gegenfrage beantworten?“ Richterin: „Die Frage ist beantwortet.“ Der Angeklagte: „Ich beantrage, dass die Frage beantwortet werden muss.“ Richterin: „Welche Frage? Stellen Sie die Frage noch einmal konkret.“ Angeklagter zum Zeugen: „Haben Sie die Zahlen von P&C beobachtet?“.Die Verteidigerriege, bestehend unter anderem aus Alexia Stuefer, Josef Phillip Bischof und Stefan Traxler, erklärt, der Angeklagte wolle darauf hinaus, dass P&C keine Umsatzein-
bußen erlitten habe, obgleich auch gegen diesen Konzern eine Anti-Pelz-Kampagne geführt wurde.